banner
m_01
Stoppt die Online-Überwachung! Jetzt klicken & handeln! Willst du auch an der Aktion teilnehmen? Hier findest du alle relevanten Infos und Materialien:
020305_sichergestellt
Wie der Standard berichtete, wurde die Privatinitiative eines Juristen, die Stauracz-Gasse in Wien Margarethen umzubenennen, von SPÖ und ÖVP abgeschmettert. Die Bedeutung von Franz Stauracz reicht gewiss nicht, um nur wegen seiner antisemitschen Haltung zur Jahrhundertwende eine öffentliche Debatte auszulösen. Aber die Initiative zur Umbenennung verdeutlicht das Bewusstsein der EntscheidungsträgerInnen im Wiener Rathaus durch deren eigenen Aussagen.
So stellte beispielsweise im Mai 2000 das Liberale Forum den auch von den Grünen unterstützten Antrag, den Karl Lueger-Ring umzubenennen. Die ÖVP konnte, auch damals von der Öffentlichkeit anscheinend nicht wahrgenommen, auf ihrer Homepage wie folgt kommentieren: "Wollte man jeden Politiker, der am Anfang des 20. Jahrhunderts eine antisemitische Äußerung von sich gegeben hat, aus der Geschichte Wiens eliminieren, hätte Wien keine Geschichte mehr."
Also kurz nach der blau-schwarzen Regierungsbildung war es soweit: Die ÖVP konnte sich eine Geschichte außerhalb des Antisemitismus nicht mehr vorstellen. Eine Partei, die um Isolation von der internationalen Politik gebettelt hat, drückte sich verständlich aus. Dass es vor hundert Jahren auch Parteien wie die Liberalen und die Zionisten gab und auch die Sozialisten sich mehrheitlich gegen den Antisemitismus stellten, will die Wiener Gegenwartspolitik offensichtlich verdrängen.
So wird es verständlich, dass im Fall Stauraczgasse Renate Winklbauer (SP) und Johannes Prochaska (VP) in postkoalitionärer Einigkeit erklärten, dass Umbenennungen nur bei"persönlicher Schuld" des Namenspatrons erfolgen. Schuld nur von einer Täterschaft während des Nationalsozialismus abhängig zu machen, geht sicherlich an den Restitutionsbemühungen der Republik Österreich deutlich vorbei. Es wurde ausreichend belegt, dass der Wiener Antisemitismus vor dem Ersten Weltkrieg Hitler erst die Motivation für seine Massenvernichtungspläne gab. Es kann den österreichischen Parteien zugemutet werden, sich mit ihrer eigenen Geschichte kritisch zu befassen und Abstand von ihren antisemitischen Vordenkern zu nehmen. Wer hinter dem Nationalsozialismus den Austrofaschismus verstecken will, begibt sich unweigerlich in miese Nachbarschaft.
Die Grüne Kultursprecherin Marie Ringler brachte den Kompromissvorschlag ein, wenigstens eine Zusatztafel anzubringen, wenn schon eine Umbenennung nicht gewollt wird. Sie sollte auf die unhaltbare Position von Stauracz hinweisen. Ausgerechnet die Vertreterin der SPÖ, Frau Winklbauer, zementiert falsches Bewusstsein: "soll man draufschreiben, er hat antisemitische Äußerungen gemacht? Das haben ja damals viele und grundsätzlich: sicher hat Hitler das alles pervertiert: aber das macht den Antisemitismus werder besser noch schlechter."
Antisemitismus ist so unhaltbar wie die Auffassung, dass nichts verändert werde, wenn bekennende Antisemiten der öffentlichen Verehrung entzogen werden. Wenn Hitler den Antisemitismus pervertiert hat, wie normal war er zuvor? Wie normal ist heute wieder die Auffassung, dass er damals normal war? Die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses Frau Winklbauer und Herr Prochaska müssten ihre Vorgehensweise deutlich überdenken, um ihren Parteien, der Stadt und der Republik keinen weiteren Schaden zuzufügen.


* Hugo Bettauer wurde am 10. März 1925 in Wien ermordet. Kein öffentlicher Ort erinnert an das erste nationalsozialistisch motivierte Attentat.

Cecile Cordon, DI Martin Margulies, Marie Ringler (alle GemeinderätInnen der Grünen), Peter Dvorsky, (Die Grünen Margarethen), Werner Rotter (7.3.2002)