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...ein kurzer Kommentar aus grüner Sicht zur Diskussion rund um Theater an der Wien und Ronacher
Das sozialdemokratische Wien schenkt dem bürgerlich-staatstragenden Publikum ein neues Opernhaus. Und ist stolz darauf! Ein drittes, bzw. eigentlich ein viertes Wiener Opernhaus wird mit 21 Millionen Euro jährlich finanziert ? denn neben Staatsoper und Volksoper steht ja auch die Kammeroper dem Publikum allabendlich offen.

Und damit auch die Musicalliebhaber weiter auf ihre Rechnung kommen, soll parallel das Ronacher um 45 Millionen Euro zu einem vollwertigen Musicaltheater umgebaut werden.

Weshalb finanziert eine sozialdemokratische Stadtregierung, die gerne von "kritischer Öffentlichkeit" und "kultureller Vielfalt" spricht und dabei den Kulturkampf gegen den "bösen" Bund beschwört, Oper und Musical mit einem Sechstel des Wiener Kulturbudgets? Fällt ihr nicht auf, dass sie damit genau dem Kulturbegriff des vielgescholtenen Gegners Franz Morak entspricht?

Jetzt schon ist klar, dass die 40 Millionen Euro jährlich für das Theater an der Wien und die Musicalbühnen nur zum Teil aus Sonderfinanzierungen kommen werden. Der Finanzstadtrat hat dem kulturzuständigen Andreas Mailath-Pokorny bereits ausgerichtet, dass er ab 2006 den Gürtel vorbeugend enger schnallen soll, damit sich ab 2007 seine hochfliegenden Klassik-Pläne ausgehen. Es wird also dort gespart werden, wo jetzt schon geknausert wird: in der zeitgenössischen Kunst.

Das wirklich dramatische an den ?gigantomanischen? Plänen ist aber, dass kein Plan und Ziel erkennbar sind: denn die Stadtregierung, die sich ?Kultur für Alle? auf die Fahnen geschrieben hat, begünstigt mit dem vierten Opernhaus im Theater an der Wien eine Kunstform, die als angebliche "Königsdisziplin" nicht zuletzt aus finanziellen Gründen (wer kann schon 70 bis 200 Euro für eine Karte bezahlen?) einem eng abgezirkelten Publikum vorbehalten bleibt.
Und die Verantwortung hat Mailath-Pokorny vorbeugend schon mal den künstlerischen Leitern der neuen Häuser zugeschoben (siehe Falter 8/04).

Gänzlich unverständlich ist auch der Plan, das Ronacher um 45 Millionen Euro umzubauen. Weshalb muss ein Theater, das vor weniger als 20 Jahren um 170 Millionen Schilling renoviert wurde, nun um 620 Millionen Schilling nochmals umgebaut werden?

Wo doch bekannt ist, dass Neubauten im Musikbereich wie etwa die Werkstattbühne der Bregenzer Festspiele um 5 Millionen Euro völlig neu erbaut wurden? Oder die List-Halle in Graz um 10 Millionen Euro in ein Haus mit exzellenter Akustik umgebaut wurde, das noch dazu all jene Kriterien erfüllt, die man sich heutzutage von Theaterräumen wünscht: keine Guckkastenbühne, flexible Bühnentechnik, keine eingebaute Bestuhlung.

Ingesamt kann die Entscheidung für die Neuordnung der Vereinigten Bühnen nur durch eine klassische Wiener Mischung von Zukunftsangst einerseits und einem kurzsichtigen Konkurrenzkampf um eine kleines, die öffentliche Meinung bestimmendes Publikum und seine Presse andererseits erklärt werden.

Diese "Wiener Mischung" stellt der eigenen kulturpolitischen Orientierungslosigkeit Gigantomanie entgegen, und so verstricken sich Bürgermeister Michael Häupl und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zusehends darin, Wien wieder in die Vergangenheit zurück zu katapultieren.
Sie befördern die Stadt damit in jene nur scheinbar gloriose Zeit, die ihren Ruf als "Musikhauptstadt" begründet hat.

Und vergessen dabei völlig, dass es ihre Aufgabe ist, der Gravitationskraft der Wiener Gemütlichkeit etwas entgegenzusetzen: der 40 Millionen Euro Scheck der Stadtregierung muss in künstlerische Zukunft investiert werden!

In all jene unverwirklichten Ideen - von Medienkunstzentren über Theaterlaboratorien, zu Lesetürmen und dezentralen Kulturprojekten für MigrantInnen - die Wien endlich ins 21. Jahrhundert holen. Denn ?Zurück in die Zukunft? ist nur im TV lustig.

Marie Ringler ist Kultursprecherin und Landtagsabgeordnete der Wiener Grünen